Homeoffice, remotes und hybrides Arbeiten – bloßer Hype oder relevante, neue Arbeitsmodelle?

Es gibt historische Momente, in denen die Zukunft ihre Richtung massiv ändert. Diese Zeiten sind jetzt. Die erste Hälfte des Jahres 2020 hat unsere Arbeitswelt mehr verändert, als die zwanzig Jahre davor. COVID-19 brachte Veränderungen in einer derartigen Geschwindigkeit, dass wir die neue Realität und ihren tiefgreifenden und nachhaltigen Auswirkungen noch gar nicht richtig begreifen können. 

Von einem Tag auf den anderen wurden Mitarbeitende ins Homeoffice geschickt – die Alternativlosigkeit hat dies so flächendeckend und zügig nötig und auch möglich gemacht, wie es zuvor kaum denkbar gewesen wäre. Führungskräfte standen ad-hoc vor der Aufgabe in diversen Teamkonstellationen die notwendigen Strukturen, aber auch das Gemeinschaftsgefühl und die Zuversicht und Kommunikation aufrecht zu erhalten – und das in einer Zeit, in der sich viele Unternehmen vor einer wirtschaftlich schwer absehbaren Zeit sehen.

So nehmen Arbeitnehmer diese Krise wahr: Kununu, die größte Arbeitgeber-Bewertungsplattform in Europa, hat in ihrem Corona Employer Transparency Ticker die Erfahrungen der Arbeitnehmerinnen in Deutschland, Österreich und der Schweiz zum Umgang ihres Arbeitgebers mit dem Thema Corona geteilt haben.

Nach einem stürmischen und teils auch holprigen Start in diese neue Arbeitswelt zeigt sich eines ganz klar: Diese alternativen Arbeitsmodelle sind gekommen um zu bleiben. Schauen wir uns daher die Besonderheiten, Vorteile und Herausforderungen genauer an.

Neue Arbeitsmodelle ohne fixen Arbeitsplatz

Die Einführung des Homeoffice und des remoten Arbeitens machte vieles neu und anders. Vor Corona war Homeoffice in vielen Unternehmen “ein rotes Tuch” und wurde nur in Ausnahmen und meist für einzelne Tage gewährt. Entsprechend groß war die Skepsis als der Lockdown ein jähes Abweichen von der Präsenzkultur erforderlich machte: Werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genauso produktiv und effizient arbeiten wie im Büro? Ist das notwendige Equipment zum remoten Arbeiten vorhanden? Ebenso für virtuelle Meeting-Formate? Wie gestalten wir die Kommunikation – zwischen einzelnen Personen, Teams und unternehmensweit? 

Die ersten Erfahrungen und Studien zeigen, dass diese Sorge unberechtigt ist: Im Homeoffice arbeitet man genauso effektiv, manchmal sogar effektiver, als im Büro.

Von den Corona-spezifischen, erschwerenden Faktoren, wie Homeschooling oder geschlossene Kitas natürlich abgesehen – die Quintessenz vieler unserer Kunden, die wir zu Virtuellen Round Tables für einen konstruktiven Erfahrungsaustausch auf Peer-Ebene zum Thema “Modern Leadership in der Krise” eingeladen haben, ist durchaus positiv, wenngleich auch herausfordernd

Was versteckt sich hinter den Begriffen remotes und hybrides Arbeiten?

Was sich für so manche nach Begrifflichkeiten aus der Automobilindustrie oder der IT anhört, sind die neuen Aufgabenfelder von Human Resources und Führungskräften. Die COVID-19-Maßnahmen und ihre schrittweise Lockerung führten dazu, dass auch andere Arbeits(zeit)modelle in den Fokus des Unternehmensinteresse rückten, die unsere Kundinnen, Kunden und viele andere Unternehmen nun beschäftigen.

Noch vor einiger Zeit war es selbstverständlich, dass man für das Ausüben der eigenen Arbeit ins Büro kam und dort rund acht Stunden seines Tages hinter Maschinen und Computern verbrachte oder den Tag mit analogen Meetings und Abstimmungen füllte. Die Kolleginnen und Kollegen waren vor Ort und man traf sich zum kurzen “Kitchen-talk”. 

Jetzt sieht es vielerorts anders aus. Wir erleben bei unseren Kunden aktuell remotes und hybrides Arbeiten. Bei hybriden Teams wird dabei gerne mit firmeneigenen Apps gearbeitet, welche die maximale Auslastung der Büroflächen und die erforderlichen Hygiene-Auflagen sicherstellen. 

Remotes Arbeiten – work from everywhere – bedeutet mobiles, ort- und zeitunabhängiges Arbeiten. Das heißt, dass es so gut wie keine Vorgaben gibt – bis auf die vereinbarten Arbeits-Projektergebnisse und die Deadlines, die eingehalten werden müssen.

Hybrides Arbeiten ist eine Mischung aus dem „klassischen“ Arbeitsmodell im Büroalltag und einem ortsunabhängigen Arbeiten. Das bedeutet, dass ein Teil der Arbeit vom Unternehmensstandort innerhalb klassischer Unternehmensstrukturen geleistet wird und der andere Teil flexibel von zu Hause aus – oder auch jedem anderen Ort, den man sich für das Arbeiten ausgesucht hat.

Analog dazu gibt es auch remote und hybride Teams. Diese charakterisieren sich sehr ähnlich: Im remoten Team sind alle Mitarbeitenden ortsunabhängig an der Arbeit, während es bei hybriden Teams durchaus so sein kann, dass gewissen Teammitglieder immer im Büro und andere immer von unterwegs aus arbeiten. Oder das Verhältnis Büroarbeit zur remoten Arbeit wechselt bei jedem einzelnen Mitarbeitenden. 

Remotes und hybrides Arbeiten – Benefits für Unternehmen 

Inzwischen erkennen auch immer mehr Unternehmen die Vorzüge von remoten und hybriden Arbeitsweisen. Unternehmen, die etwa die Hälfte Ihrer Mitarbeitenden nicht mehr im Büro haben, sparen die Hälfte der Kosten für die Büro-Infrastruktur, auch die Büros selbst könnten zukünftiger kleiner und somit kostengünstiger sein. Oder man teilt sich beispielsweise als Unternehmen die frei gewordenen Büroflächen mit anderen Unternehmen, Start-ups oder Freelancern und gestaltet kreative Arbeitsbereiche. 

Die Flexibilisierung der Arbeitsmodelle bringt viele Vorteile mit sich. Unternehmen, die sich an weniger attraktiven Standorten befinden, können hiervon klar profitieren und auch dem Arbeitskräftemangel kann durch bessere Angebote für potenzielle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entgegengewirkt werden.

Einer der größten Vorteile des flexiblen Arbeitens für Unternehmen ist jedoch das Aufwiegen von Standortnachteilen. Insbesondere Betriebe, die außerhalb von Ballungszentren angesiedelt sind, profitieren von diesen Arbeitsmodellen. Dem steigenden Fachkräftemangel und der geringen Zahl von Bewerbungen könnte durch eine solche Erweiterung von Arbeitsmodellen entgegengewirkt werden. Flexibles, ortsunabhängiges Arbeiten wirkt bei manchen Unternehmen wie eine Recruiting-Power. Fachkräfte, die allein aufgrund der Lage einen anderen Arbeitgeber bevorzugen, kommen so wieder ins Spiel – und das nicht nur landesweit sondern auch international.

Und nicht zuletzt drängt eine Generation an den Arbeitsmarkt, die eine grundlegend andere, weitaus flexiblere Erwartungshaltung gegenüber ihrem Arbeitsplatz hat. Zurückdrehen wird sich dieses Rad vermutlich nicht, also tun Unternehmen gut daran sich auf eine hybride Zukunft vorzubereiten.

Remotes und hybrides Arbeiten – Benefits für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Nicht nur Unternehmen, auch Mitarbeitende profitieren von den neuen Arbeitsmodellen. Im Austausch mit unseren Kunden und deren Teams werden besonders folgende Faktoren geschätzt: Einerseits ist es die neu entdeckte Freiheit, nach dem eigenen Biorhythmus arbeiten zu können und sich die Arbeitszeiten selbst einteilen zu können, also das Ausleben der eigenen Individualität. Das Gefühl von Selbstbestimmtheit und die Orientierung nach Arbeitsergebnissen sind in diesen Tagen sogar besonders förderlich. 

Und ein weiterer Zeitgewinn kommt hinzu: Die durch das Wegfallen des Arbeitsweges neu gewonnene Zeit und der Wegfall von teils stressigen, morgendlichen Rush-Hours und vollen öffentlichen Verkehrsmitteln, werden ebenfalls als positiv und wertvoll erlebt. 

Alles bestens in der remoten und hybriden Arbeitswelt? Nicht immer

Das Auflösen des Büroalltags hat aber nicht nur Vorteile, denn sowohl Mitarbeitende als auch Unternehmen können auf neue, bisher ungeahnte Herausforderungen treffen. Mit dem festen Arbeitsplatz verschwinden auch die Kollegen und Kolleginnen und Führungskraft live, das spontane kollegiale Gespräch auf dem Flur und die schnelle Informationsweitergabe zwischen mehreren Kollegen. Insbesondere wenn die digitale Infrastruktur des Unternehmens hierfür noch keine gute und stimmige Alternativen bietet. 

Viele Menschen schätzen ihren Arbeitsplatz als sichere Umgebung und als Ausgleich zum manchmal auch stressigen Familienleben. Wieder andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen mit mehr Eigenverantwortung und Selbstorganisation schlicht nicht zurecht. Flexibles Arbeiten ist einfach nicht für alle das Passende oder aber sie müssen erst lernen mit den neuen Gegebenheiten umzugehen. 

Auch viele Führungskräfte in Unternehmen sehen sich durch den Wandel der Arbeitsmodelle mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Es kann sehr schwer sein, die eigenen Mitarbeitenden als Menschen kennenzulernen, ihre Stärken einzuschätzen und einzusetzen. Auch das Stärken von Teamwork und einer gemeinsamen Unternehmenskultur ist in einer derartigen Arbeits-Konstellation nicht immer schnell umgesetzt. Delegation, Selbstorganisation und Eigenverantwortung gewinnen an Bedeutung. 

Bei hybriden Teams kommen diese Herausforderungen ganz besonders klar zum Vorschein: Es entstehen über kürzere oder längere Strecken zwei unterschiedlichen Team-Cluster. Die „in house“ Mitarbeitenden, die immer auf dem Laufenden sind und „die anderen“, die alle Infos und Entscheidungen zeitversetzt erhalten – und so etwa auch vom gemeinsamen Team-Lunch ausgeschlossen sind. 

Diesem Trend lässt sich jedoch gezielt entgegenwirken: Gelebte Praxisbeispiele von unseren Kundinnen und Kunden zeigen, dass solch ein “Ausschluss” nicht unbedingt der Fall sein muss und sich Teams auch zum Team-Lunch verabreden – live und virtuell im Mix. 

All das kann, muss aber nicht, zu suboptimalen Arbeitsbedingungen für Mitarbeitende und ihre Führungskräfte führen. Modern Leadership setzt sich genau mit diesen neuen Facetten der Führungskultur auseinander und entwickelt neue Konzepte der Führung für das „new now“, das neue Jetzt. 

Flexible Arbeitsmodelle brauchen einen neuen Führungsstil

Unternehmen und Führungskräfte mit einem offenen und zukunftsorientierten Mindset, Kreativität, emotionaler Intelligenz, Optimismus und resilienter Führungskompetenz sind in dieser Zeit gefragt. In Krisen- und Ausnahmesituationen zeigt sich das wahre Gesicht von Führungskräften. In diesen Tagen profitieren vor allem Führungskräfte, die schon vorher ihre Glaubwürdigkeit, Empathie, Individualität und Authentizität gelebt haben. Es punkten auch gerade jene, die keine Scheu haben, die eigene Unsicherheit, Unklarheit und Verletzlichkeit zu benennen und zu zeigen. 

Je größer die Ungewissheit, desto wichtiger wird Vertrauen und Kommunikation. Kommunikation schafft Transparenz und Sicherheit, auch wenn sie Unsicherheiten benennt. Eine höhere Frequenz an Kommunikation zwischen Führungskraft und Team ist gerade in schwierigen Zeiten sehr empfehlenswert. Hier macht es Sinn auf diverse Kommunikationskanäle zurückzugreifen. 

Führungskräfte tun außerdem gut daran, in diesen Tagen innezuhalten und Eigenverantwortung zu zeigen – eine Haltung, die ihnen ihr Wohlbefinden, ihre Motivation und ihre Leistungsfähigkeit stärkt, nährt oder möglicherweise auch zurückbringen kann. Wer oder was tut mir jetzt gerade gut? Wie kann ich meine Energieressourcen halten oder auffüllen? Gerade in Krisenzeiten ist es essentiell auch die selbst-fürsorgliche Dimension vorzuleben und in anderen Menschen zu bestärken. 

Im Shutdown gaben Führungskräfte ebenso Einblick in das Private wie ihre Mitarbeiter, wenn etwa ihre Kinder durchs Bild liefen. Der Blick wurde bunter – und persönlicher. 

Positive Team Hacks für remote und hybride Zusammenarbeit 

Diese fünf Ideen wollen wir Ihnen zum Abschluss als Inspirationen und Impulse – Positive Team Hacks – mitgeben. 

  • #I like, I wish Sessions: Wie wollen wir in Zukunft arbeiten? Welche Prozesse, Kommunikation, Kollaboration, “ways of working” sind für remotes und hybrides Arbeiten notwendig und hilfreich? I like: Was läuft aus persönlicher Sicht bereits gut und sollten wir beibehalten? I wish: Was wünschen wir uns anders oder mehr davon? 
  • #Gemeinsame Erlebnisse und Verbindendes schaffen: Wie wäre es etwa mit einer Verabredung zum “Kitchen-talk” zu einem bestimmten Thema oder einfach unplugged? Virtuelle Mittagessen nach dem Motto “never lunch alone”? Afterwork Bier? Die Möglichkeiten sind vielfältig.  
  • #Lieblingspausen: Jeder aus dem Team zeigt in Videos, Bildern oder Kurztexten, wie sie oder er die Pause gerade am liebsten verbringt. Das stärkt den Zusammenhalt, bringt einen extra Motivationsschub und sorgt für Kreativität.
  • #Virtueller Kaffee zum täglichen Stand-up am Morgen: Als Start in den Arbeitsalltag gibt das gemeinsame Struktur und Orientierung. Persönliche Herausforderungen und Highlights aus dem Homeoffice können so geteilt und besprochen werden.
  • #Walk & Talk statt Zoom, Skype & Co.: Führungskraft und Mitarbeitende verabreden sich telefonischen zum Austausch und Feedback in Bewegung, zum Beispiel im Park?

Die umwälzenden Veränderungen im Frühjahr 2020 haben unsere Arbeitswelt nachhaltig verändert. Neue Arbeitsmodelle wurden ohne große Vorbereitungszeit umgesetzt und – wirken! Herausforderungen gibt es natürlich immer. Durch transparente und ehrliche Kommunikation und die richtigen Tools, können Unternehmen und Führungskräfte aber auch diese überwinden.